DAS NEUE LAND
Aktualisiert: 16. Nov. 2020
Gedanken laut gedacht zu
DAS NEUE LAND
von Verena Pausder
Diese Woche habe ich das Buch von Verena Pausder „Das neue Land“ fertig gelesen. Und ich muss sagen: Hut ab! Ein Buch voller Ideen, Gedanken und dem dringenden Wunsch etwas zu verändern. Verena Pausder hat recht – wenn nicht jetzt, wann dann? Sie schreibt von vielen verschiedenen Aspekten, die unsere Gesellschaft aktuell bewegen. Mich bewegen auch einige davon – deshalb meine Gedanken laut gedacht:
Mit Aussagen wie „wir stecken im Kopf zwischen 1983 und 1997 fest und haben die Gedanken an die Zukunft verloren“ trifft sie den Nagel auf den Kopf. Doch wieso ist das so? Ich bewege mich viel im Austausch mit unterschiedlichsten Unternehmen. Menschen aus dem Mittelstand, Einzelunternehmer und auch Mitarbeiter aus Großkonzernen haben verstanden, dass es an der Zeit ist, etwas zu verändern. Wieso wissen es die handelnden Personen, aber die Unternehmen kommen nicht voran?
Corona ist Auslöser für eine Veränderungsgeschwindigkeit, die wir die letzten Jahre - nein, die wir noch nie so hatten. Wir müssen uns einrichten in diesem „new normal“. Das mobile Arbeiten bringt die lang geforderte Ergebniskultur und wir verlassen die Präsenzkultur in vielen Unternehmen. ENDLICH! Ich bin sehr gespannt, welche Veränderungen dies noch mit sich bringt. Auszug aus den Städten und stärkere Zuwächse in ländlichere Gebiete, weil es in Zukunft egal wird wie lange der Arbeitsweg ist? Daraus folgt eine weitere Veränderung des Arbeitsmarktes und des Kampfes um Talente, weil diese aufgrund des mobilen Arbeitens überall arbeiten können, ohne das gleich ein Umzug ansteht. Was passiert mit den Büroflächen? Wie entwickelt sich die Bildung? Entstehen digitale Universitäten bzw. werden Universitäten digital? Studium auf der ganzen Welt nur durch ein Klick? Wie entwickelt sich die Immobilienbranche? Weiterer Wachstum, weil das Zuhause gleichzeitig
Arbeitsplatz, Sicherheit und kreative Wohlfühloase ist? Und mein Büro - so wie ich es will. Meines besteht seit ein paar Wochen aus einem wunderbaren Holzschreibtisch in unserem Dachgeschoss. Dazu kam ein Sitzsack, Pflanzen und bald folgt der Flatscreen, damit ich nicht jeden Tag in einen Laptop-Monitor schauen muss . So stelle ich mir einen kreativen Arbeitsplatz vor und ich kann ihn gestalten ohne Anforderungsformulare, Etatdiskussionen und Begründungsschreiben. 30 minütiges Führungsmeeting, dann zum Mittagessen zur Familie und am Nachmittag zum Kreativworkshops in 5 Städten? Kein Problem via Skype, Zoom, Webex, etc.. Von den Umweltaspekten möchte ich gar nicht erst anfangen. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Diese neue Arbeitsumgebung braucht natürlich auch Menschen, welche sich in diesen wohlfühlen bzw. lernen damit umzugehen. Führungskräfte brauchen Mut sich neuen Dingen zu stellen und als Vorbild voranzugehen, sowie Vertrauen in die Mitarbeiter. Schauen wir doch mal einen kurzen Moment auf heutige Werkzeuge zur Persönlichkeitsentwicklung. MBTI, GPOP, Reflektor Big 5, Leadership Circle, TMS, sowie Auswahlinstrumente wie z.B. Assessment Center u.v.m. alles Instrumente, die der persönlichen Entwicklung dienen. Die Personalentwickler und Führungskräfte,
welche diese Instrumente einsetzen, sollten jedoch genau prüfen, ob die bisherigen Feedbacks noch in die heutige Zeit passen. Ist eine Führungskraft morgen noch erfolgreich, wenn sie besonders extravertiert im Mittelpunkt stehen möchte, auf Statussymbole, Macht und Hierarchie steht? Sind diese Eigenschaften in einem agilen Umfeld, welches geprägt ist von Selbstverantwortung, Vertrauen und kollaborativem Arbeiten immernoch hoch zu bewerten? Ich glaube nicht.
Verena Pausder benennt folgende Eigenschaften, welche Führungskräfte von heute und morgen brauchen: „Stress aushalten, Initiative ergreifen, Innovation fördern, Andere unterstützten und Ziele effektiv erreichen“. Lt. Norwegen Business School bringen Frauen diese künftigen Eigenschaften in ihrer Persönlichkeitsstruktur mit! Warum haben wir dann immernoch eine Quote von 14,7% in den DAX-Konzernen? Ich verstehe es nicht. Den Ansatz von Frau Pausder bereits in Schulen einen Grundstein zu legen ist genau der Richtige. Es sollten Stärken herausgefunden und gezielt entwickelt werden. Neben Fachwissen kommt es auf Selbstvertrauen, Neugierde, Kreativität u.v.m. an. Schulen sollten diese Themen ebenso forcieren, wie den Umgang mit der Digitalisierung. Meine Tochter hat nun in der Fünften Klasse die Möglichkeit sich mit App-Programmierung zu beschäftigen – genial!
Solche Angebote muss es mehr geben. Neulich habe ich mich auf LinkedIn mit jemandem vernetzt, der New Work in die Schule bringen will – spannender Ansatz. Letztendlich sollte es darum gehen, das wir unsere Stärken stärken und unsere Schwächen reduzieren. Dann werden wir und auch das Unternehmen, in welchem wir arbeiten, wachsen. Egal, ob Frauen oder Männer, jung oder alt, vor Ort oder Zuhause oder im Ausland – das spielt keine Rolle.
Noch ein Punkt zum Schluss, der mich ebenfalls bewegt hat. Verena Pausder schreibt „Oft hat es den Anschein, als seien Gründungen eine Art Selbstverwirklichung. Ein Lifestyle….Dabei geht es um harte Arbeit…“. Ich gründe aktuell selbst neben meiner Tätigkeit als Führungskraft in einem klassischen hierarchischen Unternehmen ein Business. Mache ich das aus Lifestyle-Aspekten? Nein. Ich mache es, weil es Stärken von mir sind, welche ich auch außerhalb meines Main-Jobs weitergeben möchte und weil ich dafür brenne. Ich glaube genau das ist der Grund, weswegen sich immer mehr Menschen selbständig machen und gründen. Weil sie sich einfach in ihrer Zeit mit sinnvollen Themen
beschäftigen wollen für die sie brennen. So ist es möglich im Rahmen der eigenen Wertvorstellung zu handeln und sich mit den Menschen und Themen zu beschäftigen, die auch zu ihnen und ihrer Vorstellung von Arbeit passen. Der Sinn und der Wunsch etwas zu bewegen treibt an. In bestehenden Unternehmen und Strukturen ist Fortschritt oftmals langsamer als eine Schnecke.
„Das Leben wir vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ (Kirkegaard). Danke für dieses Zitat und die tollen Zeilen in Ihrem Buch, liebe Verena Pausder. Ich bin gespannt, was wir in 10 Jahren verstehen, wenn wir auf diese Zeit zurückschauen.
Autorin Angela Altenbeck